Wo steht die deutsche Internetindustrie?

Online Marketing Rockstar Philipp Westermeyer analysiert bei der diesjährigen OMR-Veranstaltung in Hamburg die deutsche Internetbranche im Vergleich mit den größten US-Playern: Größenunterschied Faktor 5 bis 20, je nach Betrachtung. Einbezogen sind die börsennotierten Internetunternehmen in Deutschland, also Firmen wie Zalando, United Internet etc. Fazit: So groß sind deutsche „Internetriesen“ im weltweiten Vergleich nicht. Alleine die Plattformen der Silicon-Valley-Firmen sind um ein Vielfachen (5 bis 20, je nach Lesart) größer.

[wpdevart_youtube]5avn2v6nvTI[/wpdevart_youtube]

Das war nicht immer so: 1999/2000 hatten die deutschen Internetfirmen gute Chancen, den Amerikanern Paroli zu bieten und international mitzuspielen.

Was ist passiert (meiner Meinung nach):

– Die Internetwirtschaft in Deutschland wurde totreguliert. Jeder Onlinehändler hat heute mehr mit den Abmahnungen zu tun als mit dem Produktverkauf. Etwas online zu verkaufen, ist juristisch riskant, außer für Amazon. Denken wir in diesen Zusammenhang auch an das Leistungsschutzrecht als Ergebnis hervorragender Lobbyarbeit der Verleger. 

– Technophobe bis technologiefeindliche Bevölkerung. Schließlich wurde den Deutschen lange eingetrichtert, wie gefährlich „das Netz“ ist. Einige Hausbesitzer haben auf Google Street View ihre Häuser verpixeln lassen. Der Widerstand wurde so groß, dass Google in Deutschland das Programm heruntergefahren hat. Gottseidank wurde mit Darknet ein neuer angsteinflößender Begriff gefunden, so dass keiner über die nachdenken muss)

Und in  gewissen Kreisen gehört die Koketterie, sich mit dem „Technikkram“ und „Facebookscheiss“ ja gar nicht auszukennen, zum guten Ton.

– Technikblinde Regierung, die lahme Internetanschlüsse over Klingeldraht aus den 50er Jahren propagandiert und die Untertanen im Neuland wähnt. Die brauchen keine Glasfaser. Dazu passt auch das Stimmungsbild vom Digitalkongress der CDU/CSU-Fraktion.

– Visionen fehlen. Nach dem Platzen der Dotcom-Blase 2001 haben die Reichen des Landes Angst um ihr Geld und investieren, wenn überhaupt, dann hauptsächlich in Geschäftsmodelle, die wie Zalando sind: Etwas billiges einkaufen, ein bisschen veredeln, heftig Werbung  machen und Produkte teuer verkaufen.

Nun ist „SchülerVZ“ Geschichte

Die lange Leidensgeschichte der VZs geht weiter. Am Anfang war StudiVZ – eine Kopie der Facebookidee – eine Erfolgsgeschichte: Massenhaft User, ein Account war Standard bei Fachhochschülern und Studenten. Doch Facebook expandierte weltweit und rollte auch eine deutschen Sprachversion aus.

StudiVZ war Marktführer

Entschieden war das Rennen damit überhaupt nicht. Der Facebook-Clone StudiVZ war in Deutschland Marktführer und Gegenstand von Forschungebemühungen zum Thema Social Media. Der Spiegel schrieb 2008 „… bevor es ans Geldverdienen geht, stellen die Kalifornier nun
eine deutsche Facebook-Version ins Netz. Spät, vielleicht zu spät.“

VZ-Gruppen

Charakteristisch bei StudiVZ waren die Gruppen, von denen es Hundertausende gab. Die Mitgliedschaft in einer der Gruppen  mit oft lustigen Namen war eher eine Profilergänzung, weil die Gruppenmitgliedschaften eher den gesellschaftlichen Status und die Einstellung des Users reflektiert hat.

Im Vergleich zu Facebook bot StudiVZ viel weniger Features. Viele User migrierten zu Facebook, denn hier war es möglich, Apps zu integrieren, mit denen sich die User interagieren konnten. Diese Möglichkeit fehlte bei StudiVZ lange Zeit. Die Eigentümer wollten der Gatekeeper zu den User sein.

Diversifizierung  SchülerVZ, meinVZ – boring German

Statt dessen setzte man auf Diversifizierung mit „SchülerVZ“ und („boring German“ – typisch) auf „meinVZ“ für alle und hob den besonderen deutschen Datenschutz als USP hervor. Geholfen hat das nicht, auch wenn „boring German“ nicht falsch sein muss – bei web.de hat es ja auch funktioniert.

Zu spät haben die VZs Schnittstellen für Entwickler geboten. Der Zug war abgefahren. Relaunchversuche brachten keine Rettung. Damit war die leicht schillernde VZ-Erfolgsgeschichte Geschichte. Leider, denn damit bestätigt sich wieder die These von tendeziell glück- und erfolglosen deutschen Internetunternehmen.

%d Bloggern gefällt das: