Die Cebit Seite hat eine t3n-Kolumne neu veröffentlicht. In diesem Artikel gab es eine Entgegnung auf die These von Jeff Jarvis (Artikel in der Zeit, Artikel auf medium.com, Interview in Profil, Österreich), wonach die Deutschen technophob wären: Sie verpixeln ihre Häuserfassaden in Google Maps, verbieten Uber und wehren sich gegen Facebook, nur als ein paar Beispiele genannnt.
Alltagstechnophobie oder Kommunikationskonservativismus?
Jeder kennt Leute, die tatsächlich technophob sind. Erst gestern mischte sich beim Mittagessen eine Frau am Nebentisch in unser Gespräch, in dem es um Facebook als Hoster für journalistische Inhalte ging. Sie behauptete steif und fest, auch nach 42 Lebensjahren kein Internet zu brauchen, auch keine E-Mail-Adresse. Man könne ja schließlich zum Amt gehen, wenn man etwas braucht oder in den Laden. Und interessante Menschen träfe man auch in seiner Umgebung.
Das ist vielleicht nicht lupenrein technophob, eher konservativ-bewahrend („alles soll so bleiben wie es ist oder früher war“) und natürlich ein Einzelfall, aber illustrierend ist das dennoch.
Deutsche PR-Abteilungen gelingt die generierung von Technobubbles – politisch aktive Schlagworte ohne viel Gehalt
Die Entgegnungen gegen die Jarvis-These lesen sich immer recht politisch und vielleicht ist eines der technischen Leistungen, die man in Deutschland gut hervorbringt, Technobubbles zu generieren, in dessen PR-Licht man sich dann sonnen kann: Beispielsweise Industrie 3.0 (oder auch 4.0), was immer das auch bedeuten soll.
Im zitierten Artikel, der belegen soll, dass es Internetphobie der Deutschen oder German Internetangst gar nicht gibt, verweist der Autor auf eine sehr starke Rolle der Rechte des Einzelnen in Europa und Deutschland, so wie das etwa beim Datenschutz und im Verbraucherschutz sichtbar werde.
„Sowas wie Google oder Facebook gibt es in Europa nicht, weil wie die Datenschutz und Verbraucherrechte beachten“
In den USA zählten Menschen nicht, nur der Profit und die Freiheit von Großunternehmen. Damit wäre zumindest ein wenig erklärt, warum heute führende neue Unternehmen wie Google, Facebook, Amazon, Apple allesamt in den USA beheimatet sind. Was nicht mal stimmt. Weitere Internetgiganten, die uns nur nicht so auffallen, weil uns die jeweilige Kultur ferner liegt, kommen aus China (Alibaba), Russland (Yandex) oder auch Südkorea (Daum).
Gerade wenn man über die Cebit gegangen ist und nach deutschen Anbietern sucht, fallen eigentlich nur drei auf: SAP, Software AG, Datev – alle drei richten sich mit ihren Produkten an Unternehmen aus, nicht an Konsumenten. Das ist symptomatisch.
In Deutschland: Individuelle Nutzer nicht im Blick der Konzerne
Das Vorzeigeunternehmen der „Deutschland AG“, Siemens, hat vor einigen Jahrzehnten noch versucht, auf einen fahrenden Zug aufzuspringen und Handies zu produzieren, in Kooperation mit Fuji sogar auch PCs und ist gescheitert. Gerade deutsche Unternehmen wären in den 80ern und 90ern des letzten Jahrhundert nie nie nie auf die Idee gekommen, so etwas wie einen Personal Computer auch nur anzudenken, die Amerikaner und dann die Japaner haben es gemacht. Die Europäer hinkten hinterher und waren bald aus dem Geschäft. Nie hätte ein deutsches Unternehmen angefangen, Bücher wie es Google tat und einen Riesenaufschrei produzierte, einzuscannen und damit zu digitalisieren. Auch Google Streetview kann man sich nicht als deutsches Projekt vorstellen. Wir hätten statt dessen 20 neue Gesetze und Vorschriften produziert und alles zerregelt, bis von der Idee nichts mehr übrig blieb. An solchen Dingen scheitert übrigens auch gerade die De-Mail.
Also sind die Deutschen technophob und wenn ja, wie stark?
Empirisch ist das wohl noch nicht besonders gut untersucht. Nach einschlägigen Studien suche ich noch.
Vielleicht hilft für die Zwischenzeit ein Blick darauf, welche soziale Schichten in welchen Ländern social media nutzen. Die FAZ hat dazu einen kleinen Beitrag veröffentlicht, mit Bezug auf eine Statista-Grafik: In Deutschland ist der Anteil an Nutzern mit wenig formaler Bildung im Vergleich zur Türkei, UK, Spanien und auch Frankreich hoch. Dafür ist der Anteil der „Bildungsbürger“ wie die FAZ die Schicht mit mittlerer und hoher Bildung betitelt, niedrig. Die Unterschiede sind deutlich. Dies spricht in meinen Augen eher für die Jarvis These von der deutschen Internetskepsis.
Zur Zeit kommt es mir so vor als würden wieder einige Beiträge in Zeitungen und Zeitschriften erscheinen, die sich mit der Frage über das Verhältnis von Deutschland und Europa und dem Internet auseinandersetzen. Möglicherweise ist die durch die Prism-Debatte neu belebt worden.
Aktuell erschienen: Der Beitrag in der „Zeit“ über das Elend der deutschen Suchmaschinen. Der Autor berichtet in diesem Artikel die Google-Monokultur im deutschen Suchmarkt (was schnell mal mit dem Onlinewerbemarkt gleichgesetzt wird), das Scheitern des Subventionsprojekts „Quaero“.
Es scheint mir so, dass es in Deutschland auch nicht so viele Journalisten gibt, die etwas faktenreicher und tiefgründiger über Internetthemen berichten können. Ständig der warnende Tenor vor Big Brother, totaler Überwachung, Abzocke und Terroristen, die sich offensichtlich im Web tummeln. Gelegentlich auch zu lesen: mit viel Häme überzogene Berichte über Fails deutscher Internetfirmen. Man denke nur an StudiVZ.
Es fehlt ein kompetenter Technologiejournalismus, der nicht nur von PR-Meldungen oder Warnungen von Daten- und Verbraucherschützern angetriggert wird. Wann haben wir in deutschen Leitmedien Berichte über neue Webtrends aus Europa oder Deutschland gelesen? Lieber berichtet man über die neunen Social Media Trends wie Vine oder warnt erneut vor Whatsapp etc.
Es gibt einige deutsche Medien, dazu zähle ich golem.de, t3n.de, heise.de, die gelegentlich über deutsche Webfirmen berichten. Daneben gibt es Nischenpublikationen wie deutschestartups.de oder die gruenderszene.de. Dort werden tatsächlich neue Entwicklungen erst einmal unaufgeregt dargestellt.
Der Rest der Journaille – so scheint es mir – reduziert das Webbusiness auf die Big4: Amazon, Google, Facebook und Apple. Selbst über unbestritten sehr erfolgreiche Web-orientierte Unternehmen wie 1&1 in Karlsruhe wird erstaunlich wenig berichtet.
Ein Umstand, über den sich 1 & 1 – Vorstand Dommermuth auch schon öffentlich in einem Spiegel-Interview beschwert hat: „Als Google vor rund einem Jahr mit fünf Millionen Euro eine Berliner Uni sponserte, wurde der Konzern gefeiert. Wir zahlen diese fünf Millionen als Steuern jede dritte Woche aufs Neue. Darüber spricht kein Mensch.“
Woran liegt das? Vermutlich weil die meisten Journalisten ebeso wie Politiker eben überhaupt nicht verstehen wie der Konzern das Geld verdient.Da wundert es auch nicht, dass sich die Bundeskanzlerin Sätze produziert wie „Das Internet ist Neuland für uns„, wobei man das wahrscheinlich auf einen schlechten Ghostwriter zurückführen kann – Merkel ist ja mit Videobotschaften und Webchats eigentlich vorne dabei.Dennoch erinnert das missglückte Statement an selige Helmut-Kohl-Zeiten, der in einem Interview angesprochen auf den Ausbau der „Datenautobahn“ antwortete: „Für den Bau von Autobahnen sind neben dem Bund hauptsächlich die Länder zuständig!“ (RTL+, „Gefragt…“ mit Hans Meiser, 03. März 1994).
Erwartet die Demonstrantinnen eigentlich noch etwas strafrechtliches (außer dass man mehr oder weniger ruppig abgeführt wird)? Erregung öffentlichen Ärgernisses? Widerstand gegen die Staatsgewalt? Verstoß gegen das Demonstrations- und Versammlungsrecht?
Extrem schnell und ruppig reagierte die Polizei gestern in Berlin auf eine Femen-Aktion am Rande der Konvoistrecke beim Obamabesuch, mit dem die Aktivistinnen Obamas Unterstützung zur Freilassung der in Tunesien inhaftierten Oben-Ohne-Demonstrantinnen gewinnen wollten („Obama help“). Doch die Aktion dauerte nur wenige Sekunden und der Staatsgast dürfte kaum etwas mitbekommen haben. Dafür war das Polizeiaufgebot zu massiv: http://www.stern.de/panorama/femen-in-berlin-nackter-protest-bei-obama-besuch-2027110.html
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