Adblocker als die neuen Gatekeeper

Adblocker Plus feiert: http://kress.de/tweet/tagesdienst/detail/beitrag/121261-adblockplus-dankt-verlagen-via-twitter-installationen-auf-adblockplusorg-129.html

Die Zahl der Downloads und Installationen ist nach oben geschnellt, nachdem einige Verlage einen Aufruf gestartet habe, keine Adblocker einzusetzen. Lange Mienen bei Verlagen, die sich mit der Begründung richtig Mühe gegeben haben, überschwängliche Freude bei der Adblocker-Community. Gipfel des Hohns: Die Aufforderung, Adblocker auszuschalten, wenigstens für diese Site, wurde ebenfalls als „unerwünschte Werbung“ klassifiziert und auch gleich geblockt.

Man kann natürlich nachvollziehen, dass User keine Werbung sehen wollen, wenn sie News oder andere aktuelle Meldungen im Web lesen wollen (so wie die RTL-, Pro7-, Sat.-…Zuschauer auch keine Werbespots sehen wollen). Aber das ist der Deal: Ohne TV-Spots kein DSDS, kein Dschungelcamp, kein How I Met Your Mother.

Die Frage bleibt dann nur: Wie soll könnte man dann ein entsprechendes Webangebot finanzieren? Konsequent wäre: Wird ein Adblocker festgestellt, wird die News-Site nicht mehr ausgeliefert, weil die Geschäftsgrundlage fehlt. Doch ich glaube nicht, dass die Verleger sich das trauen. Zuviel Sichtbarkeit steht auf dem Spiel.

Der Einsatz von Blockern kann zu einem technischen Wettlauf führen. Große Advertiser wie Amazon, Zalando und Ebay werden technische Mittel und Wege finden, Adblocker zu stören, wenn die Verbreitung steigt. Die haben genug technische und finanzielle Ressourcen dafür. Mittelgroße und kleine Shopbetreiber können dagegen gleich aufhören, mit Display Ads (Banner und so) zu werben, wenn die Ads in den nicht mehr ausgeliefert werden. Adblocker spielen also den großen Retailern in die Hände.

Eine andere Strategie wäre, Werbung und Information einfach so stark miteinander zu vermischen, dass die Adblocker nicht mehr unterscheiden können, was ungeliebte Werbung ist und was nicht. Ein Advertorial ist heute zum Beispiel nur schwer von einem echten journalistischen Beitrag zu unterscheiden ehe man sich einige Sätze durchgelesen hat.

Noch eine andere Strategie sind Paywalls in Form von Abos. Dann allerdings ist es vorbei mit freien Zugriffen auf Artikel, denn man muss vorher ein langlaufendes Abo abschließen, obwohl man nur mal in den Artikel reinlesen wollte, den man per Suchmaschine gefunden hat. Mit wissenschaftlicher Literatur ist dies heute schon ein Riesenproblem.

Von wegen freier Wissenszugang durch das Web: Wir werden Contents lesen, die nur noch als Teaser formuliert werden. Wir werden Texte lesen, die nur zu Contentmarketingzwecken als Suchtrafficfänger entstehen, nicht geschrieben von Journalisten, sondern von Content Managern, die wissen, wie man mit dem IDF/WDF Ansatz korrekt umgeht, damit das Keyword nicht zu wenig und nicht zu oft darin vorkommt.

Je mehr sich die Adblocker Installationen verbreiten (und Browserhersteller wie Firefox und MS mit dem Internetexplorer wetteifern da gerne mit, gerade wenn es um 3rd Party Cookies geht), desto mehr werden die Adblocker Hersteller zum Gatekeeper und könnten ein Geschäftsmodell daraus machen: Wer durch will, muss zahlen.

Erste Ansätze, die Gatekeeper-Muskeln spielen zu lassen, gibt es ja in Adblocker Plus auch schon: Es gibt den Acceptable Ads Filter, der Ads von Doubleklick (Google) und Amazon durchlässt. Andere Werbenetzwerke wie Adscale oder Adjug fehlen da. Auch Zanox und Affilnet sucht man vergeblich, die Netzwerke also, mit denen Hunderte von kleinen Webseitenbetreibern wie Blogger versuchen, wenigstens einige Euro pro Monat mit Klicks auf Ads zu erlösen.

War und ist das so wünschenswert?

UPDATE 
Heute erschien eine Heise-Meldung, die sich mit Adblock plus befasst und Vorwürfe wiedergab, wonach Adblock plus sich für dennoch durchgeleitete Werbung (Whitelist) bezahlen lässt. Sie berichten über Recherchen von Blogger Sascha Pallenberg, der über die Hintergründe berichtet.

Wenn das stimmt, kommen bestimmte Werbetreibende auf eine Whitelist. Allerdings bekommt Adblock plus über ein Affiliatesystem dann 30 Prozent.

UPDATE 24.7.2013
Natürlich reagiert der Werbemarkt auf Versuche, Ads unsichtbar zu machen, denn wieso sollte man als Werbetreibender für Ads bezahlen, die keine sieht?

Sogenannte „Native Ads“ sind stark in die eigenen Webseiten integriert und liegen, anders als Werbeformate wie Banner oder Textads auf der eigenen Domain.
http://onlinemarketing.de/news/erfolgsrezept-native-advertising-aus-sicht-der-publisher

Stellt sich natürlich die Frage, wie Content und Werbung dann noch zu trennen sind. Auch für Suchmaschinen ist dies eine wichtige Frage. Entsprechend deutlich warnt Google schon vor dem Einsatz von Advertorials, eine Art Prototyp von Native Ads. 

Veröffentlicht am 29.05.2013
Matt Cutts, head of the webspam team at Google, talks about advertorials.