Beats 1 – eigentlich habe ich darauf gewartet

iphone mit itunes app und beats 1
Beats 1 auf Sendung, hörbar über das iphone und andere Endgeräte

Maclife diskutiert gerade die Sinnhaftigkeit eines Radioprogramms anno 2015: „Wer braucht heute eigentlich noch Radio“ vor dem Hintergrund von Beats 1.

Ich habe mich zwischenzeitlich ein bisschen reingehört und ein paar Stunden live verfolgt. Das neue Moment von Beats 1 war für mich, mit einer recht eigenwilligen Präsentationsform konfroniert zu werden, über Stilgrenzen und Formatgrenzen hinweg. Abgesehen von den vielen technischen Fehlern, die da so passieren, finde ich Beats 1 richtig gut, auch wenn ich nicht täglich vier Stunden höre, sondern vielleicht mal 20 Minuten.

Ich habe selbst jahrelang Radio gemacht, Lokalfunk und Formatradio und selber auch viel Blödsinn produziert. Wenn man das ein paar Jahre macht, kommt man gar nicht mehr auf die Idee, dass es neben Formatradio auch noch andere Darstellungsformen geben kann. Unsere öffentlich-rechtlichen Sender versuchen sich gerne an Alternativen und scheitern meist.

Bei privaten und bei kommerziell erfolgreichen Sendern in Deutschland herrscht relative Eintönigkeit vor („more of the same“). Die Branche ist ziemlich kaputt, talentierte Mitarbeiter fehlen, die Gehälter sind niedrig und in öffentlichen-rechtlichen, von gepflegter Beamtenmentalität geprägten „Funkhäusern“ sind die „Popwellenmacher“ die Schmuddel- und Kellerkinder. Aus dieser Ecke kommen die Radiomacher hierzulande auch nicht mehr heraus. Das Thema hat sich erledigt. Vor so einem Hintergrund finde ich Beats 1 richtig gut.

Klar kann man sich heute sein „Wunschmusikprogramm“ selber zusammenstellen. Es gibt itunes und Spotify und dergleichen, kein Problem. Aber man kann das nicht immer. Diese eigenen Zusammenstellungen sind auf Dauer langweilig, denn es fehlt naturgemäß das Überraschende. Webradios sind hierzulande meist per IP verbreitete UKW-Zweitverwertungen oder so langweilig wie die UKW-Programme selbst, zu nischig (was auch okay ist) und nur von einer Minderheit hörbar. Innovation ist nicht zu beobachten. Alles tot wie Disco, um aus dem Film „Schnappt Shorty“ zu zitieren.

Die hiesige Radioszene wird von Verlegern dominiert, deren Maxime Geiz, Gier und Gewinnsicherheit das Handeln und das Entscheiden über Investitionen bestimmt. Das komplizierte überreggulierte Medienrecht in Deutschland und Europa hat verhindert, ordentliche Marktvolumina zu generieren, um europaweite Strategien anwenden zu können. Ein paar Verleger haben sich in zum Beispiel polnischen Privatradios eingekauft, aber es fehlt eben an Expertise und Know How, um punktuelle Erfolge auf europäischer Skala zu skalieren. Wem das ein bisschen gelungen ist, ist NRJ, eine aus einem Piratenradio in den 1980er Jahren hervorgegangenes Senderkonklomerat aus Frankreich, das aber in vielen europäischen Ländern an nationalen Lobbyisten und alteingesessenen  Medieninteressensträgern gescheitert ist. Rundfunkpolitik ist immer auch Innenpolitik.  Leider hat sich alles konserviert, es gab keine nennenswerten technischen Weiterentwicklungen und damit auch keine inhaltlichen.

Radio ist nicht nur Musik. Radio ist Unterhaltung, klar,  hauptsächlich mit Musik, aber das eigentliche Emotionale wird durch Moderatoren, DJs, Jocks, Ansager – wie man sie auch immer nennen möge – generiert. Das muss sich nicht in der typischen Morningshow mit mehr oder weniger motiviert sich durchwitzelnden Moderatoren erschöpfen, sondern kann auch in die Richtung gehen, die Beats 1 einschlägt. Die Wortbeiträge, die die einsetzen, haben eine Qualität, die man auf Deutschlandfunk etc. erwartet.

Nicht jeder möchte ständig sein Programm selbst zusammenstellen, man will auch überrascht werden, um nicht in der Music-Bubble abgeschirmt sich zu langweilen. Da ist Beats 1 auf einem guten Weg, finde ich.

Mehr über das Beats 1 Programm von Apple

Screenshot der Ankündigungsseite für Beats 1 von Apple

Langsam werden mehr Details zu Beats 1 bekannt, jenes Radioprogramm, das Apple auf die Mac- und IOS Geräte bringen möchte,

Start soll wohl am 30.6.2015 sein.

Dr. Dre (sowieso schon Mitglied der Apple Familie) wird eine Show namens The Pharmacy präsentieren, ebenso wie der Rapper Drake, den wir ja bei der Vorstellung während des Apple WWDC-Events schon auf der Bühne gesehen haben.

Auch Elton John soll eine eigene Radioshow bekommen. Weitere Namen, die im Gespräch sind, sind St. Vincent, Disclosure, Josh Homme und der von Schauspieler und Rapper Jaden Smith.

Die Quelle ist die New York Times, die einen Beitrag und ein Interview mit Zane Lowe (BBC) veröffentlicht hat. Dass Taylor Swift, die Apple wegen der Tantiemen in der Probephase kritisiert hatte, eine eigene Sendung bekommt, gilt aber als unwahrscheinlich, so 9To5Mac

Warum tut sich eigentlich nichts im Radio?

Im Blog des Deutschlandfunks machte sich Peter Glaser Gedanken und die Zukunft des Radios. Musikabodienste könnten das Radio bedrohen und die Radiomacher sollten sich schnell mal etwas überlegen:

http://blogs.deutschlandradio.de/lab/2014/07/22/die-zukunft-des-radios/

Radio so wie wir es heute kennen, ist ja mehr als die (manchmal geschickte) Aneinanderreihung von Musiktiteln.

Populäre Programme definieren sich durch eine möglichst unverwechselbare, aber hinreichend homogene Mischung aus idealerweise interagierenden Musiktiteln, Moderation, Jingles, Sounder, Stinger und wie die Elemente alle heißen.

Die reine Playlist genügt sicher nicht, um massenattraktive Programmierung vorzunehmen. Wer sich mal die Mühe machen musste, eine Abfolge von ca. 200 Liedern zusammenzustellen, weiß, dass dies sehr viel Arbeit ist. Daher ist Radio ein netter Lieferant, Musik manipuliert recht unmittelbar die Emotionen des Rezipienten, sie aktiviert, verstärkt – das ist eine ideale Kombination.

Ich verstehe nicht, warum man in Deutschland immer noch auf UKW beharrt. Die im deutschen Radio dominierenden Verleger wiederholen die Fehler, die sie im Print gemacht haben. Gut laufende Sender sind nach wie vor Gelddruckmaschinen. Das Establishment wehrt sich gegen jede Neuerung bis es zu spät ist. So klingt Radio heute wie vor 10 oder 15 Jahren! Wenn man sich überlegt, wie oft man seither sein Handy / Smartphone gewechselt hat…

Ein im deutschen Raum völlig unterbelichtetes Genre ist Talk Radio. Damit ist nun nicht das einstündige Vorlesen von Nachrichten und Tickermeldungen gemeint, sondern die von einer Person mit subjektiven Blickwinkekn getragene Reflektion aktueller Ereignisse. Das könnte ein angenehmer, authentischerer Gegenpol zur den durchgescripteten Talkshows im Fernsehen werden.

Das muss sich nicht auf Politik beschränken. Wissenschafts- und Technologiejournalismus ist komplett unterbelichtet. Vielleicht liegt rührt die Technikangst, der fehlende Diskurs auch daher, dass dieses Genre nur auf Galieo-Niveau existiert.

Digitalradio ist in Deutschland jetzt richtig tot

http://tiny.cc/fBSly

Nun ist DAB endgültig am Ende. Auch wenn der Standard schon ziemlich alt ist, ich finde es schade um die Technik. DAB konnte einiges. Mir hat mal jemand vorgeführt, per DAB auch Standbilder (5 sec / Bild) übertragen zu können. Geräte gab es kaum. Meine letzte Hoffnug war DVB-T – hier hat man ja auch gesehen, dass es möglich ist, neue Receivertechnik im Markt durchzusetzen. Ein DAB Radio hätte nicht teuerer sein müssen als ein kleiner DVB-T Receiver

Ich denke, DAB hätte für mehr terrestrische Vielfalt sorgen können. Aber niemand lässt sich dazu überreden, einen sündteueren Receiver zu kaufen, nur um digital das zu hören, was er von Ukw eh schon kennt. Ich kenne niemanden, der einen DAB Radio zu hause oder im Auto hatte. Hätte es mehr Alternativ-Angebot gegeben, wäre auch die Nachfrage gestiegen, vielleicht sogar Programme, die nur per DAB zu hören gewesen wären. Die Gerätehersteller haben auf die Programme gewartet, die Programmanbieter auf die Gerätehersteller. Ich habe noch einige skurrile Szenen aus meiner Radiozeit vor Augen als wir uns als Programmanbieter speziell für DAB in Thüringen bei der dort zuständigen Landesmedienzentrale beworben haben und von den Herren Kontrolleuren sowas von arrogant abgefertigt wurden. Das war in den späten 90ern und Gutsherrenhabitus war seinerzeit offensichtlich die vorherrschende Attitüde bei Medienzentralmächtigen. Die Internetentwicklung hat das weggewischt. Heute ist es kein Problem mehr , Audiostreams nach jedem Geschmack nutzen zu können. 1999 war das anders.

Ein Teufelsspiel und keiner hat gewonnen, denn welche Technik soll das in die Jahre gekommene Ukw ablösen? Wir hören Radio wie zu Omas Zeiten.Auch wenn ein digitales Sendernetz schon daneben steht., das keiner nutzen will. Bleibt eigentlich nur, Radio per DVB-T zu verteilen, wenn UKW ausgestorben ist. Dann kann man aber auch gleich Bewegtbild mitsenden. Oder Ukw bleibt für immer und ewig und künftig wird Radiohören genauso strange sein wie ich als Kind Radioempfang per Kurzwelle oder Langwelle empfunden habe.