Ich glaube, wenn ich mal alte Bestände an CD-ROMs durchsuchen würde, die ich mir aus irgendwelchen Gründen aufgehoben habe, ist sicher auch eine AOL-CD-ROM dabei. AOL hat als Unternehmen einen langen Weg hinter sich und wurde jetzt an Verizon verkauft. Mit dem Internet-Zugangsgeschäft hat das nicht mehr viel zu tun. Eher mit Content.
Das war in den 1990er Jahren der primäre Weg, die Einwahlsoftware für Windows 98 zu vertreiben. Viele andere Anbieter haben das übrigens genauso gemacht und Unsummen für die Platzierung auf den damals sehr beliebten sogenannten Buypack-CDs der Computerzeitschriften bezahlt. Diese Praxis wurde immer aggressiver und brachte Aol viel Hass ein, denn die CDs wurden auch per Postmassenversand unter die Leute gebracht.
Hass auf Aol-Einwahlsoftware
Die Verbindungsgeschwindigkeiten lagen irgendwo von 1.200 Bits/s bis 56 KBit/s mit einem analogen Modem. Später war auch ISDN mit 64 kBit/s bzw. Bündelung der beiden B-Kanäle von ISDN mit 128 KBit/s möglich. Klar, dass man dann auch doppelt bezahlen musste. Das vorherrschende Abrechnungsmodell war zeitbasiert, zusätzlich zu einem Abo. Der Zugang sollte möglichst einfach sein, was Aol in Deutschland mit dem Testimonial Boris Becker (ehem. Tennisstar) zu personifizieren versuchte: „Bin ich schon drin?“
TV-Spots mit Boris Becker: „Bin ich schon drin?“
In der Prä-DSL-Zeit ist Aol ein bisschen hängen geblieben. Dennoch hatte Aol immer noch eine treue Fan- und Userbasis.
Bei Aol handelte es sich nicht nur um eine Einwahlsoftware. Aol war ein vom offenen Internet abgetrennter Bereich, ein Walled Garden. Eigene Inhalte, die nur mit der Aol-Software zugänglich waren. Es gab auch ein internes Messaging-System, vergleichbar mit E-Mail und hatte sogar ein eigenes Bildformat (ART). Dafür waren monatliche Abokosten zu bezahlen. Man konnte über den Datex-J Dienst der Bundespost/Deutschen Telekom auf Aol zugreifen und über Aol auch ins offene Internet kommen. Dazu lieferte Aol den Netscape Navigator mit, den heute kaum noch jemand kennt. Aber dies war der wichtigste Browser vor den berühmten Browserwars mit Microsoft.
99 Milliarden Dollar an Abschreibung für Aol
2001 kam es zu einer Fusion von Aol mit dem Medienkomzern Time Warner. Das Platzen der ersten Dotcom-Blase brachte den ganzen Konzern ins Schlingern, so dass man nach 99 Milliarden Dollar Abschreibunsgverlusten den Produktnamen Aol wieder aus dem Firmennamen heraustrennte.
Time Warner war nicht der einzige namenhafte Konzern in der Geschichte von Aol: Das deutsche Geschäft wurde in den 90er Jahren in einem Joint Venture mit Bertelsmann aufgebaut. 2005 übernahm Google Anteile an Aol im Wert von einer Milliarde US-Dollar. 2009 hat Time Warner die Anteile aber zurückgekauft und wollte Aol an die Börse bringen.
Zu Aol gehörte Compuserve und der einst beliebte ICQ Messenger, der aber 2010 verkauft wurde. Heute agiert Aol vor allem als Netzwerk für Inhalte, will Geld mit digitalen Inhalten verdienen und übernahm 2011 die Huffington Post. Auch Endgadet und Techcrunch gehören zum Netzwerk. Das Zugangsgeschäft ist heute für Aol in Deutschland kein Thema mehr, in anderen Märkten aber schon.
Daher passt Aol in diesem Punkt zu Verizon, was ja eigentlich ein Netzbetreiber ist.
Im Mai 2015 schoss der Anteilspreis für Aol in die Höhe (Quelle: Google Finance) |
Nun wird berichtet, Aol sei 4,4 Milliarden Dollar wert und Verizon hoffe aus Erlösen durch Werbeeinnahmen, vor allem auch aus Bewegtbildwerbung.
Damit findet auch die Werbeplattform One einen neuen Besitzer. One wurde von Aol als Konkurrenzprodukt zu den Ad-Networks von Facebook und Google entwickelt.