Wenige Wochen vor Jahresende kommt das Aus für die Frankfurter Rundschau, die Financial Times Deutschland und aus der Hauptstadt hört man, dass auch beim Berliner Verlag Entlassungen im redaktionellen Bereich anstehen. Die Meinungen, woran das liegt, sind vielfältig.
Sascha Lobo glaubt, die Darstellungsform Artikel hat damit zu tun. Klassische Artikel wie in der Zeitung sind statisch und werden dem dynamischen Nachrichtenfluss nicht gerecht. Schon gar nicht, wenn sie auf Papier gedruckt werden, aber das Papier kann nichts dafür. Andere meinen, das Zeitungsterben liegt an nachwachsenden Generationen, die kein lineares Papier mehr vor sich haben wollen und es auch viele qualitativ hochwertige Information werbefinanziert im Web existiert. Da ist der Konsument eben nicht mehr bereit, zu bezahlen.
Als jemand, der das journalistische Handwerk in den 1990er Jahren ganz klassisch als Volontär, Zeitungspraktikant und freier schreibender Mitarbeiter erlernt und erlebt hat, stellt sich mir der Eindruck, dass die Verlegern zwar immer mal nach neuen publizistischen Wegen für ihr Geschäftsmodell gesucht haben, aber in das Brot- und Buttergeschäft Zeitung nicht so viel investiert haben. Praktisch alle deutschen Verlage haben sich in den 80ern an den neuen Privatradios beteiligt, zumindest die großen auch am kapitalintensiveren Privatfernsehen. Sat.1 war einmal das Velegerfernsehen schlechthin.
Die Zeitungsredaktionen haben sich aus meiner (zugegebenermaßen etwas eingeschränkten) Sicht wenig weiterentwickeln können. Immer wieder las man von schwierigen Tarifverhandlungen für die festangestellten Redakteure. Die Printhäuser wollten nicht so viel bezahlen, die Redakteure fanden die Einführung von PC-gestütztem Layout, das sie selber anfertigen sollten, nicht besonders gut.
Die globale Strategie war offensichtlich, regional oder medienspezifisch das Monopol zu behalten, also über die Leserschaft bzw. das Publikum im regionalen Markt oder durch geschickte Beteiligungen an den Trägergesellschaften von Fernsehsendern und Rundfunkanbietern. Mit dem erstarkendem Internet Ende der 1990er wurde diese Strategie immer wirkungsloser. Die Gatekeeperrolle ging auf andere Konstrukte über, zunächst auf Portale und Trafficaggregatoren, die durch Verlinkung Userströme kontrollieren konnten, später auf die Suchmaschine Google.
Das Fernsehen kämpft noch. Noch ist TV das Leitmedium und von pleite gehenden Programmen hört man zumindest in Deutschland selten, auch wenn am Programm gespart werden muss. Doch es ist nicht unwahrscheinlich, dass auch bald TV den Weg gehen, den Print und andere Werbeträger schon beschritten haben, nämlich den Weg in die zweite und dritte Reihe.
Das werbefinanzierte Mediengeschäft mit Fokus auf qualifizierte Inhalte ist heftig unter Attacke. In den vergangenen Jahren wurden massive Budgets von Print und TV hin zu online verschoben. Große Gewinner waren Suchmaschinen, große E-Commerce-Player und nicht zuletzt soziale Netzwerke. Als Positivbeispiel wird immer Spiegel Online genannt, als Beispiel dafür, dass ein Printflaggschiff auch online gut weitersegeln kann. Ich bin mir aber nicht sicher, ob Spiegel Online ohne die gedruckte Mutter auf Dauer existieren kann. Dann ist die Abhängigkeit zu den Suchmaschinen oder den Mobilplattformen extrem hoch. Die Online Gatekeeper haben schon öfter mal demonstriert, welche Auswirkungen ein Nichtberücksichtigen eines Veröffentlichungsmediums auf das Geschäftsmodell der Onlineableger von Zeitungen und Zeitschriften hat.
Das Geschäft mit Inhalten (sprich: die Generierung von journalistisch-redaktionell betreuten Texten) reduziert sich zunehmend mehr darauf, Suchmaschinen Futter zu liefern, zum Beispiel als Füllstoff für die „DKZ“, die de-kommerzialisierte Zone eines Onlineshops, die Suchmaschinenusermagnet sein soll und die vielleicht freiwillig verlinkt wird. Denn: Internetuser suchen auch nach Informationen, nicht nur nach Produkten, die sie online bestellen könnten. Dem versuchen die Suchmaschinen zwar Rechnung zu tragen. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass man auf den vordersten Plätzen der Suchmaschinenergebnisseiten Links zu Shops findet – oder gut getarnt – Links zu Inhalten, die alleine deswegen geschaffen worden sind, um diesen Traffic aus Suchmaschinen einzufangen.Das läuft unter dem Stichwort Content Curation. Journalistisches Arbeiten ist das aber nur bedingt.
Wenn nun aber nach und nach Zeitungen eingestellt werden und die Onlineableger sich nicht mehr alleine halten können, wer produziert dann noch Nachrichtentexte, die Google News finden könnte, die per RSS verbreitet werden und die von Bloggern zitiert werden könnten? Wer schreibt die Texte, filtert, aggregiert, bewertet, kommentiert, glossiert? Es könnte zur Contentkrise kommen. Wer meint, Blogger könnten in die Bresche springen, übersieht, dass viele die Blogger entnervt ausgegeben haben, da sie ebenfalls für eine schwindende Leserschaft geschrieben haben. Blogs wurden und werden von den Suchmaschinen immer weiter abgewertet.