Das Cloudfest fand wieder statt: Green IT, E-Mail, Security

Zweimal ist das Cloudfest in Rust, Baden-Württemberg pandemiebedingt ausgefallen, ebenso wie auch das SXSW in Texas.

2022 gab es diese Technologie-Veranstaltungen wieder. Noch ist schien die Stimmung beim Cloudfest in Rust etwas verhalten.

Der alte Spirit von 2016 oder 2019 war im Frühjahr noch nicht wieder erreicht. Dies waren die Jahre nachdem 2006 und 2010 einige Internetblasen geplatzt waren. Die Technologieanbieter haben sich neu ausgerichtet und Hyperscalern wie AWS, später auch Azure und Google Cloud mächtige Counterparts gefunden. Ab 2020 war von einem Datacenter as a business die Rede.

Seither hat sich einiges geändert. Wohin sich das Cloudfest in Rust entwickeln müsste, um gesamtgesellschaftlich mehr Relevanz zu erhalten.

Seit etwa 1997 bis 2000 hatte sich auch in Europa das Internetgeschäft entwickelt, nach dem ausgehend von den USA das Word Wide Web kommerzialisiert wurde. Auch mit einigen wichtigen europäischen und deutschen Playern.

Als Branchenevent hatte Anfang/Mitte der Nullerjahre sich der Webhostingday in Köln etabliert. Microsoft hatte in dieser Phase stark seine eigene Servertechnologie aus Basis von Windows NT promotet und hatte Erweiterungen für andere Server, die berüchtigten Frontpage Extensions.

2010 fand dieses Event im Phantasialand in Brühl statt. Zwischendurch gab es einige Variationen im Format. Später wurde die Veranstaltung auf einige Tage verlängert und angesichts der Entwicklungen in der Branche auf Cloudfest umgetauft.

Vom Phantasialand in Köln in den Europapark Rust, vom Webhostingday zum Cloudfest

Bei den Webhostingdays handelte es sich Verkaufsveranstaltungen. Hersteller präsentierten im 20- bis 40-Minutentakt Hardware und Softwarelösungen. Der Zugang zu der Veranstaltung war kostenlos – nach einer Registrierung – möglich. Erst später wurden neue, die Zielgruppe unterhaltenden Elemente integriert und ein Premium-VIP-Status eingeführt. Das hat den Communitycharakter sehr verstärkt und der Branche ein Gesicht gegeben.

Bezogen auf inhaltiche Ausrichtung die World Hosting Days oder später das Cloudfest bedeutet das, dass verstärkt Anbieter von serverseitiger Managementsoftware und Tools zur Orchestrierung von in der Cloud abgebildeten Funktionen die Szene prägte.

Das war die Zeit von Parallels und Plesk, später OnApp und Jealastic. Solche Software hat den Umgang mit der Hardware einfacher gemacht. Damit konnten auch kleinere Unternehmen Services realisieren, die man von Hyperscalern, wie man AWS und ähnliche Unternehmen dann nannte, anbieten, zumindest zum Teil. Gerade AWS hat nicht nur Kapazitäten entwickelt, sondern immens viele digitale Services entwickelt und ins Angebot aufgenommen.

Hier hat inzwischen eine Art Konsolidierungsprozess stattgefunden.

Unter dem Radar einer breiten Öffentlichkeit

Allgemein laufen Technologiethemen in Deutschland traditionell eher unter der Wahrnehmungsschwelle der Öffentlichkeit.

Daher übersieht man allgemein leicht, dass es sich bei dieser Sparte um eine recht kräftigen Wirtschaftszweig handelt. Das kann man auch an Zahlen festmachen:

Unter der deutschen Ländertopleveldomain „.de“ sind mehr als 16 Millionen Domainnamen registriert. Das Marktforschungsunternehmen IBISWorld berichtet für in Deutschland 47.970 Beschäftigte in der Branche „Datenverarbeitung und Datenhosting“ mit 2.582 Unternehmen, die einen Umsatz von 11 Milliarden Euro im Jahr generieren. Zum Vergleich: Umsatzmäßig liegt das in der Größenordnung der Branche „Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden“.

Die Branche hat in Deutschland immerhin knapp 50.000 Beschäftigte

Die Worldhostingdays bzw. die Cloudfest-Events haben die Tradition der Verkaufs- und Präsentationsveranstaltung noch nicht abgeschüttelt. 2022 allerding wurde einige „heiße“ Tehmen auf die Bühne geholt. „Green IT“ war eines der Buzzwords, neben dem Thema „Security“.

Das Programm auf der großen Bühne ist daher sehr er herstellerorientert. Man präsentierte „grüne Lösungen“, oftmals hart an der Grenze zum Greenwashing, berichtete über den einen oder anderen Case hinsichtlich Energieeinsparung durch bessere Kühlung und neue Chips, Nutzung der Abwärme und dergleichen.

In Sachen Klimaschutz ging es vor allem um die großen Datacenter, die auch große Energiegroßverbraucher sind. Die informationsverarbeitenden Geräte brauchen Strom – und da hier sehr viele davon auf kleinstem Raum untergebracht werden sollen, entsteht auch viel Wärme, die unter Kontrolle gehalten werden muss.

Green IT oder Green Washing?

So ist der PUE-Wert einer der zentralen Vergleichswerte, um die Energieeffizienz eines Datacenter anzugeben. Dabei handelt es sich lediglich um den Quotienten aus Gesamtenergieaufnahme und Energieaufnahme der IT-Infrastruktur aus Server, Routern, Switches etc. Daher ist der Wert 1,00 die nur theoretisch erreichbare beste Wert. Typische Werte liegen aktuell bei 1,30 bis 1,50. Ab 1,30 gilt eine Rechenzentrum schon als sehr effizient.

CO2 Emmissionen sollten eine Währeung werden, wie Kryptowährungen heute schon. Solche durchaus überlegenswerten Forderungen dringen nicht in die breite Öffentlichkeit – leider !

Beim Thema Security spielten Backupstrategien und -produkte eine Rolle. Ein Anbieter versuchte Sicherheitssoftware mit der aktuell populären Darstellung von alten Mordfällen in Zusammenhang zu bringen und ließ „Profiler Suzanne“ auftreten. Die Idee der Präsentation war wohl, dass es unterschiedliche Ebenen und Rollen gibt, was sich in der Sicherheiststrategie niederschlagen sollte. Selbsterklärend war die Präsentation nicht unbedingt.

Es ist etwas schade, dass die Nutzer und Kunden bei Cloudfest wenig Stimme haben. Damit verpasst man die Chance, dass Kundenbedürfnisse diskutiert oder überhaupt nur artikuliert werden. Die Fragen „was brauchen die User“ , „wo ergeben sich Chancen zu Innovation“ oder „was können wir Usern Neues bieten“, werden nach meinem Geschmack zu wenig gestellt.

Daher fehlt auch die breitenwirksame Bedeutung. Kaum eine Ankündigung eines Unternehmens anlässlich des Cloudfests hat es in die normale Presse geschafft. Dabei hatten die Veranstalten auch schon Whistleblower Edward Snowden und den Apollo-Astronaten Buzz Aldrin auf die Bühne gebracht, zumindest per Videoschalte. Es entstanden immer schmissige Eventvideos. Gute Show, aber: What’s the news?

What’s the news?

Dies scheint bei SXSW in Texas regelmäßig anders zu sein. Hier gibt es mehr Formate, die sich mit den Zeitthemen beschäftigen. So etwas produziert dann auch mal Schlagzeilen wie „Cyberkriege der Zukunft: Wovor Experten warnen“ (https://www.handelsblatt.com/technik/it-internet/technologiefestival-sxsw-cyberkriege-der-zukunft-wovor-experten-warnen/28160038.html) oder „Understanding the Metaverse“ (https://www.computerweekly.com/feature/Understanding-the-Metaverse). Gut, es sind nun mal vor allem amerikanische Unternehmen, die solche Dinge wie das Metaverse antreiben, aber beim Cloudfest bliebt es bei einigen NFT-Experimenten mit Kunst.

Ich denke, das Cloudfest müsste mehr Akteure als nur Hersteller isn Boot holen. Man hatte solche Ansätze. Aber diese Konzepte sind offenbar dem Rotstift zum Opfer gefallen.

Hannover hat die Cebit nach offenbar erfolglosen Reformversuchen komplett aufgegeben. Da wäre nun Platz für eine moderne Veranstaltung, auf der nicht Bürodrucker und fernöstlicher Elektroramsch die Szene dominieren.

Wo sind die Stars der Branche?

Dass die Wurzeln des WWW eigentlich in Europa gelegt wurden, von Tim Berners Lee in Genf am Kernforschungszentrum CERN, sieht man dem Word Wide Web von heute nicht mehr an. Im Grund hat Cloudfest gute Ansätze Technologie zu inszenieren. Die Cebit ist über den Robotertanz kaum hinausgekommen.

Wenn man wichtig werden will, müsste da eben auch mal Frank Thelen hin, der von seinem 10x erzählt oder das eine oder andere Start-up, das nicht mit AWS hostet.

Vernachlässigt ist auch der Bereich Open Source. Open Source war der Treiber für vielen in Deutschland und Europa. Damit gelang es auch Startups und innovativen kleinen Firmen in das Internetgeschehen einzusteigen. Wer im Internet mitmischen wollte, brauchte einen Provider, der dafür sorgt, dass ein Server permanent mit dem globalen Internet verbunden ist. Und hier treffen sich die Bereiche.

Open Source Projekte wie PHP, Maria DB oder auch MySQL in der Communityvariante prägen die Weiterentwicklung. Das Cloudfest wäre eine gute Plattform, hier auf die Langfriststrategie zu gucken. Themen und Fragen gibt es angesichts neuer Dinge im Frontend-Bereich oder in Sachen KI genügend. Wohin gehen, wenn man viel Speicher braucht, wohin mit großen ML-Workloads? Selbst der Bundespolizei fiel seinerzeit nichts anderes als AWS ein, um die Bodycam-Aufnahmen zu speichern (https://www.zeit.de/digital/datenschutz/2019-03/amazon-cloud-bundespolizei-speicherung-bilder).

Warum also sehen wir nicht Tim Berners Lee oder Frank Karlitschek, den Macher von Nextcloud. Ok, Josepha Haden von WordPress wurde in einer wenig beachteten Videoaufzeichnung zugeschaltet. Die Unmittelbarkeit fehlte.

Im Grunde richten sich alle Anbieter, die beim Cloudfest präsentieren danach aus, was AWS in den Markt gedrückt hat, oder Azure oder Google. Präsent sind die Hyperscaler hier aber überhaupt nicht. Noch nicht mal jemand, der als Beobachter abschätzt, was AWS und Co demnächst wohl in den Markt werfen wollen.

Interessant ist, dass 2022 einige Anbieter auftreten, die neue Mailservices für Endkunden platzieren wollen. So ist Titan aufgefallen, die einen neuen Webmailer präsentiert haben und diesen im Revenue Share Modell den Hostingprovidern und ISPs anbieten. Auch der Klassiker OpenXChange macht neu von sich reden. Beide liefern den Service extern, aus einer „Cloud“.

Im Prinzip ist es einfach E-Mail, nur mit einem grafisch ansprechenden GUI und Apps für Smartphone dazu. Man versucht immer noch ein paar Features mehr herauszukitzeln. Herausforderungen stellen sich da im Spamprotectionbereich und bei Mailsicherheit mit Technologien wie SPF, DKIM, DMARC. Ansonsten spielen die Anforderungen kleinerer Teams in die Featureangebote hinein, so dass solche neuen Mailer als Business E-Mail platziert werden. Privatleute werden bei Freemailern wie Gmail , Outlook oder GMX längst ihr Mail-Zuhause gefunden haben.

Veranstalter des Cloudfest ist die WHD Event GmbH in Köln. Die Abkürzung WHD geht dabei auf den ursprünglichen Namen „Webhostingday“ zurück. Seit Februar 2021 ist die WHD Event GmbH auch Veranstalter der auf die Domainindustrie ausgerichtete NamesCon.

Dieser Event findet traditionell im texanischen Austin, USA statt. Während der Coronapandemie musste die NamesCon als Realkonferenz ausfallen. Anfang September 2022 fand auch die NamesCon wieder statt. Sie richtet sich an ein Fachpublikum, das sich aus Registries, Resellern, Domainhändlern und Zwischenhändlern zusammensetzt.

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