Eine neue Analyse von ey ( Ernst & Young Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ), die die Entwicklung der 1.000 umsatzstärksten Unternehmen der Welt untersucht, sieht europäischen Konzerne hinter US-amerikanischen und asiatischen.
Nach der ey-Studie seien US-Konzerne führend, was Umsatz- und Gewinnwachstum angeht. Im Schnitt stiegen deren Umsätze im vergangenen Jahr um 9,0 Prozent. Europäische Großunternehmen schafften etwas weniger als die Hälfte, nämlich 4,3 Prozent. Asiens Großunternehmen verbuchten ein Wachstum von im Schnitt 8,4 Prozent.
„Digitalisierung“: Deutsche und europäische Konzerne in Umbruchphasen – aber investieren sie genug, um aufzuholen?
Und auch beim Gewinnwachstum verlieren Europas Top-Konzerne den Anschluss: Sie konnten 2018 den operativen Gewinn nur um 3,9 Prozent erhöhen, während die US- und asiatischen Konzerne mit 8,1 bzw. 9,8 Prozent mehr als doppelt so stark zulegten.
In der ey-Liste der 1.000 weltweit umsatzstärksten börsennotierten Unternehmen befinden sich 44 deutsche. Ihren durchschnittlichen Umsatz konnten sie nur um 1,2 Prozent steigern. Zum Vergleich: Französische Unternehmen legten 6,8 Prozent im Umsatz zu und italienische 5,8 Prozent. Auffällig: Keine andere größere Wirtschaftsnation verzeichnete im vergangenen Jahr einen Gewinnrückgang bei ihren Top-Konzernen, so ey.
Abgehängt: Unternehmen wie Apple, Google, Samsung gibt es in Europa einfach nicht
Offenbar profitieren amerikanische Konzerne vom Heimatmarkt und der Entwicklung im Technologiesektor. Dem habe Europa zurzeit wenig entgegenzusetzen, heißt es bei ey. Deutsche und europäische Konzerne würden zudem unter dem US-chinesischen Handelsstreit leiden und sich in Umbruchphasen befinden (Stichwort Digitalisierung). Auch der Dieselskandal, der die wichtige Autobranche betrifft, trägt negativ bei.
Bei den Gewinn- und Umsatztrends wurden die Unternehmen aus der Öl- und Gasbranche allerdings herausgerechnet (als Grund nennt ey die starke Verzerrung durch orbitantes Gewinn- und Umsatzwachstum in diesem Segment).
Beim Blick auf die Wirtschaftsstruktur fällt auf, dass sieben der zehn Unternehmen mit dem höchsten operativen Gewinn haben ihren Sitz in den USA haben. Herausragendes Beispiel ist Apple mit dem größten Gewinn (60 Milliarden Euro). Samsung mit Sitz in Südkorea belegt Platz zwei (45 Milliarden Euro). Der Anteil der IT- und Telekommunikationsunternehmen ist in den USA hoch und beträgt 18 Prozent (Vergleich mit Europa: 11 Prozent).
Europa und auch Deutschland beheimaten eher klassische Industrien. Umsatz- und Gewinnrekorde werden aber in der IT gemacht. Und Unternehmen wie Apple, Google, Amazon, Samsung gibt es in Europa nicht. Die Technologie-Branche ist die Leitbranche. USA und China geben da derzeit den Takt vor. Die gewinnstärksten europäischen Unternehmen waren im vergangenen Jahr drei Ölkonzerne: Royal Durch Shell, BP, Rosneft. Volkswagen belegt im Umsatzranking Rang sieben.
Im Tech- und Medienbereich hat Europa es nie geschafft, einen einheitlichen Markt herzustellen
Die Frage ist, wie man in Deutschland oder Gesamteuropa dagegen steuern möchte. Woraus soll ein Konzern wie Amazon, Apple oder Google „plötzlich“ entstehen? Die Signale, die Europa sendet, deuten eher auf den gegenläufigen Trend hin: Europa wird eher kleiner und nationalistischer, die Regulierung nimmt zu. Datenschutz, eprivacy, Digitalsteuer sind hier auf der Agenda.
Vertane Chancen
PC- und Handyhersteller in Deutschland gab es einst, diese sind im internationalen Wettbewerb aber schon in den Nullerjahren verschwunden: Siemens Mobile hat, später mit BenQ in Deutschland Handies hergestellt, ebenso früher auch PCs, PDAs, Tablets und Notebooks („Lifebook“) mit Nixdorf und Fujitsu. Davon ist leider nichts übrig geblieben. Im Medien- und Telekommunikationssektor wurde Europa nie eins. Spanisches ISDN war anders als deutsches ISDN. Geräte waren so nicht kompatibel.
Auch bei den frühen Onlinediensten hat Europa versagt: Es gab es allein in Deutschland (BTX), Frankreich (Minitel) und England (Prestel) drei unterschiedliche Onlinedienste-Systeme mit komplizierten und überteuerten Übergängen ohne gemeinsame Klammer oder Inhalte. Das globale Internet hat diese dann vom Markt gefegt.
Der Medienmarkt wurde über die Fernsehrichtinie reglementiert, die u.a. Quoten für europäische Produktionen in TV-Programmen und Werbeeinschränkungen mit sich brachte. So entstanden zwar lokale Biotope, in jedem Land freuten sich Provinzpolitiker über ihre regional bedeutsamen subventionierten Produktionsstätten und national eingehegten Konglomerate, die oft als Machtbasis lokal agierender Politiker (Mediaset, Berlusconi) genutzt wurden. Ein gemeinsamer, großer Markt entstand so aber nicht. Die agierenden Unternehmen versuchten, eher durch Beteiligungen und Übernahmen an Größe zu gewinnen, weniger durch Innovation oder Neuentwicklung.