WordPress Wordcamp Europe 2019

Estrel Hotel Berlin, hier fand WordCamp Europe 2019 statt.
Veranstaltungsort des WordPress WordCamps Europe 2019: Das Estel Hotel in Berlin, Sonnenallee. Bild By Sebastian Rittau – Own work, CC BY 4.0,

Es war wohl der bislang besucherstärkste WordCamp-Event in Europa. Nach Belgard fand das überregionale Europaevent in Berlin statt.

Vor einiger Zeit hat die WordPress-Organisation damit begonnen, regelmäßigen Austausch mit Nutzern und Entwicklern zu professionalisieren.

Schließlich ist WordPress heute mehr als nur ein Blogging-Skript in PHO unter Open-Source-Lizenz. Man kann die Software als Contentmanagement System bezeichnen, man kann sie als Plattform betrachten und die WordPress-Welt auch als Ökosystem sehen.

Entscheidend ist bei WordPress – neben der kostenlosen Nutzung, der Offenheit des Quellcodes – die Möglichkeit, das Aussehen mit fertigen Themes zu ändern oder eigene Themes herzustellen. Die Offenheit für Erweiterungen, die bei WordPress Plugins heißen, gestatten es, den Kern der Software um alle denkbaren Funktionen zu erweitern. In diesem Bereich gibt es viele unabhängige Entwickler und auch größere Unternehmen, die Designs und neue Funktionen als Theme beziehunsgweise Plugin bereitstellen.

Daneben setzen Agenturen, Verbände und Vereine und Unternehmen ebenfalls auf WordPress, neben der Kernnutzergruppe der Blogger. Zu den prominentesten Websites gehört sicher seit einiger Zeit www.whitehouse.gov. Das ist die offizielle Website des Weißen Hauses, Sitz und Residenz des Präsidenten der USA.

Screenshot Website Whitehouse.gov Startseite
Codefragment von Whitehouse.gov, das zeigt, dass WordPress das Content Management dafür ist.
https://www.whitehouse.gov läüft auf WordPress.

Das Estrel Hotel an der Sonnenallee in unmittelbarer Nähe des gleichnamigen S-Bahnhofs ist ein für solche Zwecke gut geeignetes großes Konferenzhotel. Es verfügt über entsprechend geräumige Säle die auch großen Bühnen genug Platz und Zuschauerraum bieten.

Keynotes, Tracks und Workshops

Dieser Platz war zumindest für die wichtigste Keynote dieser mehrtägigen Veranstaltung nötig. Die einflussreichste und bestbesuchte Keynote dürfte die von Matt Mullenweg gewesen sein. Seine „State of the Word, Summer Update“-Keynotes sind mittlerweile Tradition und fester Bestandteil der größeren WordCamps in den USA, in Europa und Asien. Für Asien ist Bangkok im Gespräch. Das nächste europäische WordCamp soll 2020 in Porto (Portugal ) stattfinden.

Estrel Konferenz Hotel Berlin Sonnenallee mit Matt Mullenweg auf der Bühne
Freut sich über den Erfolg von ‚Gutenberg‘ und kündigt mehr Features und Funktionen an: Matt Mullenweg.

Mullenwegs Keynote drehte sich erwartunsgemäß stark um Gutenberg, den in diesem Jahr neu mit WordPress standardmäßig ausgelieferten Eingabeeditor, der in Bälde noch mehr können soll als heute. Mullenweg zeigte einige Kunstgriffe, die mit Gutenberg möglich sind und möglich sein werden.

Bis auf die Eingangsfrage war die Q&A-Runde wenig kritisch. Ich persönlich hätte erwartet, dass das Verhältnis Automattic und WordPress.org mehr hinterfragt wird. Oftmals stehen jedoch die WordPress-eigenen Tools für Zusammenarbeit, Ticketing und Tracking in der Kritik. Für Austausch auf Entwicklerebene kommt heute schon das kommerzielle Slack zum Einsatz. Die Versionierung und das Releasemanagement werden aber mit eigenen Tools realisiert.

In der Eingangsfrage beschwerte sich ein Fragesteller über die seiner Meinung nach fehlende Unterstützung eines Marktplatzes für Design und Themes wie von Envato. Nun bietet WordPress aus der Anwendung heraus Zugriff auf einige Ressourcen wie Plugins oder Themes, demnächst auch fertige Gutenberg-Blöcke. Diese Themes sind auch von Anbietern, die kostenlos nutzbare Versionen bereitstellen, allerdings einige Premiumversionen anbieten, in einer Art in-app-pruchase-Angebot. Grund sei, dass man auf keine proproetären Elemente verweisen möchte. Das ist schon der Fall, wenn ein Theme ein urheberrechtlich geschütztes Bild beinhaltet und keine offene Lizenz vorliegt.

Thema Zusammenarbeit

Die Zusammenarbeit von agil arbeitenden, aber geographisch weit voneinander entfernten Teams scheint eine der größeren Herausforderungen bei WordPress zu sein. Anfang des Jahres wurde viele, die die Entwicklung von WordPress beobachten aufmerksam, als einige neue Funktionen und Personalien in der WordPress-Welt angekündigt wurden.

Da WordPress heute bereits die Basis von etwa einem Drittel aller existierenden Websites darstellt und im Segment der Content Management Systeme auf einen Marktanteil von 60 Prozent kommt, ist es durchaus angebracht, zu beobachten, wie sich WordPress entwickelt und wie die Geschäftspolitik gestaltet wird.

Das Verhältnis zu Automattic – wer macht die Produktpolitik und wie wirkt sich das für User aus?

Schließlich ist Matt Mullenweg, der die Rolle des Entwicklungschefs bei WordPress.org innehat auch Chef seiner Firma Automattic, die zum einen einen unter wordpress.com einen WordPress-as-a-Service-Dienst als Freemium-Modell anbietet, andererseits aber auch eine Reihe von fast esssentiellen Plugins kostenlos, aber nicht als Open-Source-Software bereitstellt.

Dazu gehört Jetpack mit einer Sammlung an Services wie Statistik, Webanalyse sowie Backup und Caching/Contentdelivery-Netzwerk gegen Aufpreis. Ein anderes Beispiel ist Akismet, ein Sicherheitsplugin, das geeignet ist, um Kommentarspam auszufiltern. Im Grunde wird die kostenlos offeriert, fast schon aufgedrängt. Wer aber auch nur einen Werbebanner auf die Website stellt, erhält eine Mail und fortan soll 5 Euro im Monat für das Akismet-Abo zahlen, sonst werde der Lizenzschlüssel deaktiviert.

Nicht auszuschließen also, dass die zugekauften und noch kostenloses Plugins und Features bald ähnlich kreative Wege finden, um die Nutzung zu monetarisieren. Grundsätzlich ist nichts gegen kostenpflichtige Abomodelle einzuwenden, solange eine entsprechende Leistung dahinter steht, doch sollte dies von Anfang an deutlich gemacht werden und nicht erst massenhaft User angelockt werden, die dann in einen Upsellingkanal gezwungen werden.

Quelloffen und transparent, nicht demokratisch

Interessant, dass die zweitkritischste Frage das Demokratieverständnis in der WordPress-Welt hinterfragt hat. WordPress ist als Stiftung organisiert, produziert und veröffentlicht die Basisanwendung unter GPL, eine Open-Source-Lizenz. So wäre es naheliegend dass quelloffene Software auch von einer Organisation betreut wird, die wie ein deutscher Verein etwa sich demokratischen Spielregeln unterwirft. Dies ist im Falle WordPress nicht der Fall.

Die Antwort Mullenwegs bezog sich auch nur auf einen Grundsatz der Transparenz: Entscheidungen würden möglichst ausführlich veröffentlicht, erklärt und diskutiert, hieß es. Ganz sicher ist aber die Entscheidung, einen neuen Editor einzuführen, Gutenberg, nicht demokratisch gefallen. Ganz im Gegenteil scheinen die Widerstände dagegen in der Community groß gewesen zu sein.

Entsprechen hellhörig wurden Beobachter bei Mullenwegs Ankündigung vor einiger Zeit, einen neuen Posten zu etablieren, nämlich den des Executive Directors, und diesen mit Jospeha Haden zu besetzen, die vorher beim kommerziellen WordPress-Arm Automattic tätig war.

Auch Haden hielt eine Keynote, wie schon in einigen WordCamps zuvor. Sie ist also keine Unbekannte. Ihr Thema war Change-Management. Auf ihren Job bei WordPress und wie sie diesen ausgestalten möchte, ging sie gar nicht ein.

Estrel Konferenz Hotel Berlin Sonnenallee mit Josepha Haden auf der Bühne
Noch fast in der Rolle des Executive Directors von WordPress, aber der Community schon bekannt: Josepha Haden.

Die Worte richteten sich an Besucher im Businessumfeld, die vor der Aufgabe stehen, größere Veränderungen in ihrer Organisation anstoßen, begleiten oder leiten zu müssen. Die Anmerkungen sollten so eine Art Erfahungsbericht und best practise liefern.

Die Rolle der erfolgreichen Change-Managerin kauft man ihr durchaus ab.
Bei gleicher Gelegenheit, als Jospeha Haden in ihrer neuen Rolle bei WordPress.org angekündigt wurde, gab Mullenweg seinerzeit auch bekannt, dass es einen Marketing Director-Posten geben wird, der mit dem CEO des in den Niederlanden ansässigen SEO-Plugin-Herstellers Yoast besetzt werden würde. Damit ergab sich eine recht enge Verbindung zu WordPress. Augenscheinlich hat die Community diese Personalie wohlwollend aufgenommen. Offenbar war aber ein kleiner Kommunikationsfehler unterlaufen. Es gab in der Organisation bereits Personen, die in der Rolle des Marketingmanagements für WordPress.org agierten. Dies erfuhren wohl erst mit einem Blogpost von der neuen Position, bei der dieser Rolle angedockt wird.

Yoast und das semantische Web

Entsprechend neugierig habe ich daher die Präsentation von Osmar Reiss, CTO und Partner von Yoast, verfolgt, seines Zeichens Philosoph und Software Architekt. Sein Thema: Structured Data. Structured Data im Sinne von semantischen Auszeichnungen von Inhalten gemäß schema.org wird ja schon seit langer Zeit von verschiedenen Organisationen promotet, unter anderem von Google.

Offensichtlich hat Google schon des öfteren Anläufe gemacht, Inhalte gemäß ihrer Bedeutung zu klassifizieren, was bislang nach Ansicht von Experten suboptimal gelingt. Eine großflächige Auszeichnung könnte der Suchmaschine helfen, Inhalte zu „verstehen“. Dies ist bislang daran gescheitert, dass es viel zu mühselig erscheint, die passenden Tags im Ordnungssystem von schema.org zu finden und dem HTML-Code hinzuzufügen.

Our Brains are pattern matching machines. Aufnahme aus einer Keynote beim WordCamp 2019 in Berlin, Thema Semantisches Web
Semantische Auszeichnungen hinzuzufügen soll mit dem Yoast-Plugin einfacher werden.

Yoast habe nun mit seiner Software, so hieß es, einen Weg gefunden, Inhalte, die mit WordPress generiert wurden mehr oder weniger automatisch semantisch korrekt auszuzeichnen. Hier ist beschrieben, wie Yoast sich das vorstellt.

Die „Tracks“, wie die Vorträge hießen, waren thematisch nach Zielgruppen und Interessen klassifiziert: Business, Design, Development, Content. So gab es längere und auch recht kurze Beiträge zu den verschiedenen Themen, die im weiteren WordPress-Kosmos bei Nutzern eine Rolle spielen. Pricing gehörte dazu, Strategien für Agenturen, Conversion Optimierung.

 Aleyda Solis gab konkrete SEO-Tipps beim WordCamp Europe 2019 in Berlin
Wie mache ich heute SEO? Aleyda Solis gab konkrete Tipps.

Das Thema Semantic Content wurde zudem auch von WordPress-Core-Entwickler Joe McGill aufgegriffen. Sein Credo: Inhalte gehören sich nicht eingesperrt, wir bräuchten ein semantisches Web, ein offenes Web. Gegenbeispiel wäre eben ein Contentelement wie das Facebook-Like. Dieses hätte nur in der abgeschlossenen Welt von Facebook Bedeutung. Mit entsprechender Gestaltung auf Codeebene, eben mit semantischer Auszeichnung, käme man der Vision des Word-Wide-Web-Ideengebers Berners-Lee näher. Siehe https://www.researchgate.net/publication/307845029_Tim_Berners-Lee’s_Semantic_Web oder https://www.w3.org/2000/Talks/0906-xmlweb-tbl/text.htm .

WordPress-Core-Entwickler Joe McGill spricht sich für mehr offen zugänglichen Content aus.
Spricht sich für mehr offen zugänglichen Content aus. So werde Tim Berbers-Lee Vision des semantischen Webs möglich: WordPress-Core-Entwickler Joe McGill

Partyeklat

Am Samstag Abend gab es auch eine Party für die WordCamp Besucher. Offensichtlich haben die Showacts nicht jedem gefallen. Es gab wohl Beschwerden und die Organisatoren sahen sich zu einer Entschuldigung veranlasst.

Es handelte sich um eine Show, in denen Darsteller kostümiert wie bekannte Altstars, etwa Tina Turner aufgetreten sind und einige Oldies zum Besten gaben, aber eben so dass die Darstellung von Frauen objektivierend und und zu sexistisch empfunden werden konnte.

Beim Probeauftritt hatten wohl alle genügend Kleidung an, der Livegig jedoch “..included images of women that were sexualised and objectifying“, heißt es im Entschuldigungspost. Einige Kommentatoren konnten das nicht verstehen, andere bedankten sich für die Transparenz.

Zu viel nackte Haut, die angeblich so auch nicht geplant war. WordPress ist, hier merkt man es, nun einmal eine amerikanische Organisation. Deren puritanische Probleme mit Nacktheit kennen wir auch von Facebooks Bildersperr-Politik (Aufrufe zu einem Holocaust sind okay, weibliche Brüste nicht).

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